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FIKTION:

Sex und Leistung

Potrait of the artist as a young Lover

Minato City, zwölf Uhr morgens, 6 Grad, leichter Regen. Sie hatte sich selbst die Lippe blutig gebissen und mir tiefe Furchen in den Rücken gegraben.

Wir wussten nicht, was wir tun sollten, wenn wir keinen Sex hatten.

Für die Nacht hatte sie eine lange Vorgeschichte inszeniert. Wir waren durch alle halbwegs angesagten Läden gezogen bevor es zur Sache ging.

Sie machte ihre Gesellschaftsspiele allein. Ich mußte sie nur begleiten, konnte ungestört mit angekotztem Gesicht an der Wand stehen, Alkohol in mich reinschütten und gelegentlich das letzte Wort haben. Die Leute in ihrer Welt waren alles Idioten. Alle kannten sie aus dieser Nudelwerbung und machten ihren echten Titten Komplimente. Die halbe Nacht grabschten Typen an ihren Brüsten herum und sie schien es zu genießen. Schönheitskönigin für fünfzehn Sekunden. Morgen hatten sie ein neues Nudelgirl. Ich hatte noch ein Poster mit dem ersten Nudelgirl auf dem Klo hängen. Wir hatten es davor zum ersten Mal gemacht.
"Was ist, Mann ?" Sie lehnte gelangweilt an der Wand, zündete sich noch eine Kippe an. Ihre Stimme klang fordernd. Eigentlich war mir langes Tanzen lieber als langes Bumsen. Die Sonne kam ein wenig heraus. Ich sah meine übermüdeten Augenkringeln und riskierte einen Blick in den Spiegel. Sie bog sich gerade über den Tisch nach hinten und spreizte die Beine. Sie hatte noch nicht genug, obwohl wir bereits den halben Tag dabei waren. "Komm, einmal noch oder willst du jetzt etwa aufhören ?" "Wie wär's mit einem ordentlichen Frühstück ? Rühreier, Speck und schwarzer Kaffee,..." "Du sollst mich ficken, du Arschloch." Sie schnippte ihre Zigarette in meine Richtung. Ich war zu müde um auszuweichen oder den Schmerz zu spüren als die Glut auf meine Wange prallte. Ich bückte mich und schob ihren Rock wieder hoch. Langsam bearbeitete ich ihre Schenkel. Meine Zunge war trocken wie Sandpapier und ich mußte an ein großes Glas frisch gepressten Orangensaft mit einem Schuß Zitrone denken. Ich leckte ihre tiefsten Stellen und sah zu wie sie sich wieder in sich selbst verzog. Kleine Schweißperlen liefen ihr das Gesicht runter. Ich beugte mich über sie, schob einen Arm unter ihren Rücken und drückte sie auf den Tisch runter. Mein Schwanz hatte willenlos aufgegeben. Nach all dem Koks und Gras hatte ich seit Stunden eine Dauerlatte, die nicht kleiner werden wollte. Ich machte weiter. Mechanisch, technisch, manche Sachen verlernt man nie. Sie keuchte und presste die Lippen aufeinander. Meine Hände rissen an den Resten ihres Kleides. Sie biß mir in den Hals und schlug ihre Beine um meine Hüften. Ich packte ihre Pobacken und schob sie weiter den Tisch rauf. Langsam wurden meine Arme müde. Ich durfte zum Schluß nicht einfach auf sie runterfallen. Machte keinen guten Eindruck und ich wollte die Nudelkönihin nicht gleich wieder aus meinem Telefonbuch streichen müßen. Sie hatte schon einen Typen daheim, der sie unter sich begrub und einschlief. Dafür brauchte sie nicht zu mir kommen. Mein Kopf war leer. Lichter tanzten unter meiner Schädeldecke bevor es wieder schwarz wurde. Ich bemerkte kaum noch meine letzten Tropfen. Wir lagen einen Moment auf dem Tisch und hingen unserem Rausch nach. Draußen hupte der Verkehr. Mittags-Rush-Hour. Alles machte sich auf die Jagd nach einem billigen Stück Nahrung oder hetzte zum nächsten Termin. Sie fischte zwei Zigaretten aus ihrer Schachtel und warf mir das Geld zu. Die Scheine wurden mit einer Geldklammer zusammengehalten und ich machte mir nicht die Mühe nachzuzählen. Eine Weile saßen wir auf dem Boden nebeneinander und rauchten. "Wie steht's jetzt mit Kaffee ?" "Nein, danke, ich muß mich jetzt beeilen. Vieleicht wird mein Vertrag heute verlängert." Sie stand auf und griff nach ihrer Tasche. "Oder ich sitze heute abend wieder auf der Straße."
Ich warf einen Blick in den Kühlschrank. Der Käse hatte einen lustigen Drei-Tage-Bart und die Milch rang mit dem eigenen Verfall. Ich kaufte immer wieder Sachen, die ich garnicht essen wollte. Ich schluckte die letzten roten Pillen aus dem Eierfach und spülte mit SuperPlus nach. Sie kam aus dem Bad zurück. Unter den Augen konnte man Spuren der Nacht erkennen, aber ansonsten hatte sie sich erstaunlich schnell restauriert. "Es tut mir leid, aber ich kann nicht länger als einen halben Tag wegbleiben. Wir frühstücken ein anderes mal zusammen." Sie trug etwas Lippenstift auf und zog einen Taschenspiegel heraus. "Mein Boss wird jetzt schon durchdrehen." Sie küsste mich leicht auf die Wange bevor sie ging. "Es war toll. Ich ruf dich an. Leg dich ein wenig hin."

Normalerweise hatte ich einen Drei-Tage-Rhytmus. Einen Tag bumsen, saufen und tanzen. Einen Tag erholen, heiße Bäder nehmen und gute Bücher lesen. Den dritten Tag bis zur Erschöpfung arbeiten und dann alles wieder von vorne. In letzter Zeit war ich durcheinander gekommen seit ich viele Drogen abgesetzt hatte und das Doppelte trank. Die ganze Bumserei hielt mich von der Arbeit ab und aus Frust war ich fast permanent betrunken.

Frauen bezahlten mich dafür, daß ich ihnen das Gefühl gab die Kontrolle über mich zu haben. Aber ich hatte die letzten Wochen zu wenig gearbeitet, die meiste Zeit davon für zu wenig Geld oder ich hatte das Geld gleich wieder versoffen. Ich röchelte selbstgemachten gelben Lungenkäse hoch, spuckte eine Ladung in die Toilette, suchte nach einem sauberen T-Shirt und drehte noch einen Joint für den Weg zu Lucy. Ohne ein vernünftiges Frühstück sollte man nicht in's Bett gehen. Die Kohle sollte für ein paar Tage Arbeit reichen. Zumindest mußte ich nicht gleich wieder überlegen ob ich mir neben den billigen Blättchen noch Tomatensuppe aus der Dose leisten konnte.

Bei Lucy hockten zwei kichernde Teenager mit ebenso großen Hosen wie Einkaufstüten in einer Nische und am Tresen saß Harriet allein vor einem Milkshake. Sie klebte einen Stapel Gasman-Sammelbilder in ihr Album. Harriet war 15 und wohnte mit ihrer Mutter in der Wohnung unter mir. Ihr Vater hatte sie als Kind mißbraucht und sich dann in einer komplizierten Scheidungsgeschichte davongemacht. Lucy sorgte für das Mädchen seit ihre Mutter vor ein paar Jahren in den Dauerakkord geschickt worden war. Ich setzte mich zu ihr an die Theke. Lucy schenkte mir einen großen Becher Kaffee ein, stellte ein großes Frühstück ab und grinste ihr unvermeidliches Mittagslächeln. "Du bist mir beinahe eine Woche untreu gewesen, Baby ! Eddie hat erzählt, daß du mit dieser Kleinen aus der Werbung verschwunden bist. Macht das Nudelmäuschen dir ein besseres Frühstück als ich ?"
"Niemand kann mit deinen Spiegeleiern mithalten, Lucy." "Mach das noch mal und du zahlst in Zukunft vollen Preis." Lucy drohte mir mit dem Bratenwender und ich versprach hoch und heilig, nie wieder woanders zu frühstücken. Eigentlich frühstückte ich nie woanders, aber es gab Tage, an denen ich gar kein Frühstück einnahm.

Harriet sah von ihrem Milkshake auf. "Wollt ihr mal was hören, ich glaube, ich habe einen festen Freund." "Was heißt das, du glaubst du hast einen ?" Lucy stemmte die Fäuste in ihre massigen Hüften. "Kindchen, lass dich nicht mit der erstbesten Gurke ein." "Er ist Skater. Sein Name ist Teebo." "Ein Skater, großer Gott." Ich probierte den authentischen Schinken.
"Er hat versprochen, daß er besonders vorsichtig ist." "Skater und vorsichtig ! Willst du nicht lieber zu einem Profi gehen ? Es ist immerhin dein erstes mal", sagte ich. Lucy sah fragend über den Tresen zu mir rüber. "Es ist mir wichtig, daß es auf natürliche Art und Weise passiert." Harriet erzählte wie sie Teebo an der Tankstelle kennengelernt hatte. Ich kaute weiter an meinem Frühstück und überlegte, ob ich nicht einen guten Mann für Harriet wusste.

Die jungen Lover, die ich kannte waren alles Flaschen. Toyz, nur auf das schnelle Geld aus und ohne jeden Sinn für die Traditionen des Geschäftes. Ich wette, daß die meisten nicht mal richtig lecken konnten, aber die Frauen schienen darüber hinwegzusehen, wenn das Fleisch nur jung genug war. In letzter Zeit waren die Zeiten für selbstständige Lover aber alles andere als rosig und ich hatte schon überlegt, bei einer der McLove-Filialen vorzusprechen. Gute Lover waren rar geworden und seit die Schwulen in den Markt für Frauenärsche drängten, war die Konkurrenz noch größer geworden. Auf die Fresse schlagen war auch nicht gut für's Business und ich ging nicht oft genug in's Body-Studio um in den großen Läden mithalten zu können. Ich trieb mich lieber in schmierigen Imbissbuden und Video-Salons herum und hielt mich an Kundinnen, die genug Geschmack besaßen um sich ebenfalls abseits der ausgetretenen Pfade zu bewegen. Harriet kritzelte in ihrem Notizbuch herum und löffelte grünen Mus in sich rein. "Was ist mit dir ?" "Mit mir ? Ich weiß nicht." Ich nahm einen bedeutsam langen Schluck Kaffee. "Kennen wir uns nicht viel zu lange, Harriet ?" "Ich habe zwei große Scheine. Die sind für dich, wenn es gut läuft." Ich musterte ihren 15jährigen Körper genauer und dachte an das Geld für das Ticket um am Wochenende die Stadt zu verlassen. "Zwei Riesen ! Du willst es wirklich, was ?" "Du sagst doch selbst, daß ich erst zu einem Profi gehen sollte." "Ja, aber es gibt ein Dutzend guter Lover in Minato. Warum gehst du nicht in's Lovehouse und läßt es dir da besorgen. Das ist billiger und die kennen sich mit jungen Leuten aus." Sie ließ mich die Ecken der beiden Scheine in ihrem Slip sehen. "Heute noch ?" "Am besten sofort. Ich habe mein ganzes Leben gewartet." "Lass mich erst mal wieder zu Kräften kommen. Der Tag hat gerade erst begonnen." "Ich warte in der Wohnung auf dich." "Beweg dich, Cowboy" sagte Lucy. Ich stöhnte auf und spießte den letzten Speckstreifen auf. "Kann ich zumindest noch meine Eier aufessen ?"

Sex ohne Nudelvertrag ist schon ein schmutziges Geschäft.

(c) 1998 by StErn

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English Info

Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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