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Thursday, 23. February 2006

FILM:

Syriana (2006)

Seit dem grandiosen "Confessions of a dangerous mind" bin ich davon überzeugt, dass George Clooney der neue Robert Redford sein will und werden wird. Sein ambitioniertes Folgeprojekt "Good Night and Good Luck" wirkte nach "Confessions" allerdings ein wenig trocken und etwas zu sehr gegen den Strich gebürstet, ein Film, dessen Gesinnung man schon meilenweit riechen konnte. Trotz der unbequemen Machart fand der Film ein größeres Publikum als erwartet und machte Clooney zum neuen Mann, der alles kann.

Wer unbequeme Themen in ein zeitgemäßes Format pressen und damit sogar Kasse machen plus Oscar-Nominierungen einheimsen kann, wird für seinen Mut im Zweifelsfall sogar vom politischen Gegner gefeiert. George Clooney wird bei den Oscars in diesem Jahr aufpassen müssen, dass er sich nicht von Jon Stewart in sein eigenes Klischee pressen lässt oder er wird als Nachfolger von Mister Redford beim Sundance-Filmfestival alljährlich den Grußaugust geben dürfen.

Es ist ja diese Tage viel die Rede von einer Renaissance des 70er-Thrillers und ohne Verweis auf "Die drei Tage des Condors" kann eine Besprechung von Syriana nicht vom Platz gehen. Aber der Vergleich hinkt.

"Syriana" stammt aus einer anderen Zeit und die aktuellen Politskandale lassen die Lausbubenstreiche von Richard Nixon eher lächerlich wirken. In den 70ern reichte der Verweis darauf, dass die Männer von der CIA eben nicht unbedingt "die Guten" sind und auch vor dem Mord an ihren eigenen Leuten nicht zurückschrecken.

Davon dürfen wir im Jahre 2006 längst ausgehen und die Hintergründe von "Syriana" sind dementsprechend komplexer als die Thriller der 70er, die meist in der obligatorischen Verfolgungsjagd mündeten. Politische Intrigen hatten auf der Leinwand etwas von "Räuber und Gendarm" mit korrupten Gendarmen und edlen Räubern wider Willen, aber irgendwie war das alles kompatibel mit dem Thriller-Genre an sich. "Drei Tage des Condors" ist eine einzige Verfolgungsjagd mit einem eindeutigen amerikanischen Helden, der ganz allein gegen das Böse kämpfen muss. Interessanter waren in den 70ern eher Filme wie "Rocky" oder "Saturday Night Fever", die hinter vordergründiger Fassade subtiler zu Werke gingen. Wenn Rocky seinen großen Kampf am Ende eben nicht gewinnt und seine blutige Fresse nur noch im Schoß der Freundin versenken will, wird mit der Erwartungshaltung des Zuschauers komplett gebrochen. Das Helden-Epos wird einfach links liegen gelassen und der traditionelle Weg des Helden der tausend Masken (streng nach Joesph Campbell) wird verlassen.

"Syriana" verzichtet gänzlich auf den Helden. Wo sich "Lord of War" noch streng an der klassischen Verfolgungsjagd orientiert, untersucht der Film von Steven Gaghan die Verflechtungen von Jägern und Gejagten im großen Sumpf der Korruption. Wirtschaftliche Interessen ersetzen den moralischen Code des klassischen Helden, der uneingennützig für das Gute kämpft weil er eben Amerikaner ist und Amerikaner einfach immer Helden sein müssen.

"Syriana" arbeitet auch nicht ersatzweise mit zynischen Anti-Helden und verweigert sich einem geradlinigen Plot. Das collagenhafte Drehbuch lässt Raum für Interpretationen und macht es dem Publikum nicht immer einfach. Wo man eine Salve aus dem Maschinengewehr erwartet, diskutieren Jugendliche im nahen Osten über die Spinne als Symbol für Amerika und nicht alle Zuschauer dürften den Wink verstanden haben, dass es dabei eigentlich um die Comicserie "Spider-Man" geht, woraus sich wieder ableiten lässt, dass...

"Syriana" glänzt durch eine Cleverness, die in jüngster Zeit eher TV-Serien durchzogen hat und vor allem auf die mittlere Schaffensperiode von Robert Altman zurückgeht, dessen Bedeutung für die Kinogeschichte inzwischen auch der breiten Öffentlichkeit bekannt sein dürfte. Steven Gaghan hat als Adept von Altman bereits einen Oscar für "Traffic" eingeheimst und setzt seinen Kurs mit "Syriana" unbeirrt fort. Manches mal will der Film ein wenig zu clever werden, aber darüber kann man hinweg sehen, wenn man Hollywood-Filme eigentlich mag und immer weinen muss, wenn man von den Budgets für Heuler wie "The Island", "Stealth" oder "The Fantastic Four" hört.

Trotz alledem erwischt man sich bei "Syriana" gelegentlich beim Blick auf die Uhr und wünscht sich eine Werbepause. Warum müssen solche Filme immer so verdammt lang sein? Und was ist überhaupt so schlimm an einer ordentlichen Verfolgungsjagd? Sind wir jetzt hier im Kino oder nicht? Wer hat diesen Scheiß überhaupt ausgesucht? Ich geh' ma' neues Bier holen. Will noch jemand irgendwas...?

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Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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