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Sunday, 11. May 2003

MUTANTENWELT:

Der Tod spielt Balalaika

Die alte Besatzung feierte Abschied. Veteranen unter sich. Campingstühle, Flaschenbier und die Abgase einer Umleitung, die jeden zweiten LKW auf dem Weg nach Wahrschau durch die Straße schickte. Das wars gewesen, wir gehen von Bord. Prost und auf die alten Zeiten.

Nach dem Krieg ist vor dem Krieg und Aktien sind Kriegsanleihen. Wohin sollte es gehen, wieviel cosmopolitan war noch drin?

Treibgut eines gesunkenen Schiffs. Ging so, geht so, lecker und nicht wirklich.

Sicher kannst Du Dich mal melden, aber ich wüsste nicht wieso. Natürlich geht es weiter und wir werden wieder Bier trinken, wenn man mit den Jungs mal in der Nähe ist. Muss ja.

"Und Du weisst, wo du uns findest. Am Bahnhof oder so. Deine Suche ist vorbei. Wieso weiter fliehen? Was für ein Team. Und alles was, Du brauchst, für alles, was Du hast."

(...But Alive, "Durchschauen was muss")

Erinnerte an das Gequatsche über Yoko Ono und den großen Break. Wir hockten in der Abendsonne und die Straßen waren erobert. Selbstsicher gingen alle in die Welt um ihre Schlachten selbst zu schlagen. Man war zusammen gewesen, hatte es getan und war meistens gerade noch entkommen. Aber Schluß war eben Schluß Geblieben war die gute Zeit und das Gefühl nicht einfach nur gestrandet zu sein.

Die Stadt war eine andere und hatte eigene Gesetze, aber was war noch ein Jahr gegen den Plan der großen Alten aus dem Cthulhu-Universum. Man war weil man war und es reichte wenn man blieb. Alkohol und Zigaretten, Spaghetti und Fußball in der Kneipe. Es war so offensichtlich und doch irgendwie speziell. Die Barrieren wurden abgebaut und alte Zirkel aufgelöst. Es ging ja, wenn man wollte.

Die Konsumenten wollten nicht mehr an den vorfabrizierten Schauspielen teilhaben. Ausgestiegen bevor es losging. Eintritt zahlen und sich trotzdem nicht die Bands ansehen.

Die Aristokratie war wieder da und immer noch verarmt. Warten auf das große Ding und jeden Cent in die nächste Flasche investieren.

Über allem die Stimme des baumlangen Hamburgers mit der speziellen Gabe für Worte. Spöttisch zog sein Gesang durch die Trinkeranstalt. Ich mußte lächeln und man redete auf mich ein. Innerlich klebte ich am Text, der von der Kneipe auf die Straße plätscherte. Ach, hör nur, sie spielen die alten Lieder. Teil des Plans. Sekunden voller Licht. Ich liebe euch alle, ihr könnt mich mal.

Das Theater ging weiter und das Publikum hatte sich kaum verändert. Sie waren für uns da und bereiteten den Boden für die Legenden von der Front. "Ab 1000 Fans begannen die Schafe", sagte man in Hamburg.

Da waren die traurigen Groupies, die alle und jeden hatten, aber trotzdem allein nach Hause gingen. Sie teilten sich den Tresen mit Ex-Mitgliedern von Bands, die als authentisch galten weil sie sich vor mindestens fünf Jahren aufgelöst hatten. Die alte Zeit mit all dem Licht hatte sie kalt gelassen und ihre Gläser füllten sich mit Krokodilstränen. Schräg über die Kreuzung war noch Licht beim Musik-TV und auf der anderen Seite des Flußes leuchtete die riesige Neo-Reklame der bösen Plattenindustrie. Man reckte die Fäuste und schimpfte auf R & B mit Jogginganzug, die Sache mit den Superstars und alle wussten irgendwas. Irgendeine Tippse hatte was zu prahlen und die Hofberichterstattung pickte mühsam die Krumen auf, die am Tresen abfielen. Die Kanda-Fraktion macht demnächst so'n Ding.

Jede Nennung eines Namens war schon eine Story wert und man spielte das Spiel, warf die Bälle rum und rezitierte, was alle längst schon wussten. "Als ich noch bei Reuters war", meinte ein Girl und ergoss sich in wenig interessanten Details aus dem Alltag nachrichtendienstlicher Bockwurst-Produktion. Geschichten vom Flughafen. Wäre Goebbels nicht vom Tageblatt abgelehnt worden, wäre der Welt einiges erspart geblieben.

Eine Type mit verwegener Frisur erzählte erneut wie das mit dem großen Mayor-Deal gewesen war. Der andere Musiker hat für seine Band viel Werbung gemacht und es sagte ihm trotzdem niemand extra 'guten Tag'. So war das. Für Tennis interessierte sich auch niemand mehr.

Fast schon vierzig und immer noch allein. Weiblich, ledig, Kind und 2.Liga Abstiegsplatz am Eingang. Hier pfeift der Wind, aber das erste Lächeln kann entscheidend für die Zukunft sein.

Schafe blickten auf. Mußte verkaufen, hieß es. Die Ordnung und die Erhaltung des Prinzips von gut und böse kam auf den Tisch. Nicht neu, schon dagewesen und morgen kommt der Weihnachtsmann. Die Narzißten machten Front. Aber wer versteht das?

Hatten alle schon so schnell vergessen wie es wirklich war?

Draußen im Sommer und am Rande von Wahnsinn und Glück. Gab es dabei ein Ergebnis und brauchte man ein Publikum? Die Würde war nicht willenlos und festhalten war scheiße.

Aber jenseits der beknackten Analogien lag das Land der Wahrheit und einer Realität, für die es sich zu kämpfen lohnte.

"Der Gedanke, daß man gern woanders sein möchte, irritiert lediglich. Wir sind hier und jetzt."

(John Cage)

Verwenden, was so musste. Der Sommer der einzelnen Teile. Man wusste, wo man stand.

Die Geschichte kam jetzt sofort auf den Tisch und bedurfte eines Kommentars.

Manche zweifelten an der eigenen Gesinnung, wussten nicht, "ob sie überhaupt links sind", verwechselten Benimm-Unterricht mit der Suche nach der Lösung. Da deeskalierte zusammen, was zusammen gehörte. Der Stammtisch kam in Fahrt und die Geschichte wurde einmal mehr mißbraucht um lauter zu sein als die anderen Kinder. Der Hitler ist ein Bush und Hussein der Joker. "Und wer noch lauter schreit, ist ein Faschist!"

Die Dinge rollten. Etwas musste. Anders sein. Nicht drin sein. Erwachsen werden. Pop und Propaganda ignorieren.

Mücken fielen von der Leuchtreklame. Insektenschwärme übernahmen und Heuschrecken machten sich über das Gras her. Stühle wurden gerückt. Früh ins Bett gehen, aufstehen, arbeiten, neuen Stoff für den Tresen sammeln. Eventuell ein neues Projekt. Interesse bekunden, sich übernehmen und nicht realisieren können. Scheitern als Chance. Jeder Soldat der Bundeswehr seine eigene Ich-AG.

Der Tod war dick geworden. Man erkannte ihn nicht gleich als er unauffällig vor der Kneipe nach einem freiem Stuhl suchte. Er saß nicht auf seinem Pferd, aber der müde Dandy war echt. Das Theater des Lebens hatte Insolvenz angemeldet und der Tod war arbeitslos. Nichts ging mehr und der Dispo war schon drei mal durch. "Es war die Lachsschaumspeise", sagte er. "Kommen sie, wir müßen gehen."

Der Tod war ein Dandy auf einem Fahrrad. Wir standen in der Schlange für die Gästeliste. Ich-AG plus eins. Ich hatte Glück und mein Name war noch irgendwie dabei. Den Tod hatte man vergessen, aber er zahlte ohne große Worte.

Seine Begleiterin zog ihn am Arm und der Tod ging die Straße hinunter um ein anderes Lokal mit seiner Erscheinung zu erschrecken. Die Frau an seiner Seite war schon mal mit sowieso zusammen. Man kannte sich. Der Tod war einer von uns. Auch das noch.

Aufstehen, woanders hingehen, Alkohol und sich erklären.

"Ach nichts, ich hatte nur so ein Deja Vu."

"Bereit für den Sonnenaufgang?"

"Halbe Schachtel Kippen, zwo Bier auf halb zwölf und eine handvoll Münzen."

"Kick it!"

"Scheiße, kein Feuer."


ID - Stefan Ernsting - I have two books out, I work on cool movies and I've been blogging for 8334 days.

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English Info

Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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