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Sunday, 20. October 2002

FILM:

Basquiat

Ein Film von Julian Schnabel über den Weg des Lower East Side-Superstars der 80er, der mit Grafitti und verdrehten Aphorismen als erster farbiger Künstler auf einen reelen Marktwert kam. Der Film ist nahezu perfekt besetzt (neben Dennis Hopper und Gary Oldman gibt Courtney Love ein glänzendes Kurz-Debut ). Aber letztendlich schwebt über diesem Film ein ganz anderer Wehmut, der den Herointod von J.B. Basqviat fast verdrängt und eben diese traurige Grundstimmung zieht sich schon in den Vorspann. "A Fairytale from New York". Denn eigentlich gibt David Bowie in diesem Film den Andy Warhol, ist es nicht dieses hot event, was uns in die Kinos treibt und wenn das Killer-Drama "I shot Andy Warhol" erstmal mit coolem R.E.M., Pavement & Co-Soundtrack durch die Kinos tobt und alle das Warhol-Revival feiern werden, eigentlich eine faszinierende Vorstellung , erst dann wird man Bowie wieder in?s Herz schließen wollen. Es stellt sich die Frage, ob mehr Leute "den Andy Warhol-Film" oder eben " den David Bowie"-Film sehen wollten oder einfach nur aus Protest mal grün wählen Die Kunst nach Warhol war jedenfalls zur Sozialdemokratie verdonnert und wurde niemals müde eben dieses zu beweisen. Die kämpferische Einsamkeit der modernen Kunst, die bis zum Tode für den Sozialismus steht, wird von der Popwelt gänzlich mißverstanden. Basqiat ist bereits ein Kind der Popmoderne, einer von denen, die in die kapitalistische Realwelt eingedrungen sind weil eben nur noch der Kunstmarkt übrig war. Ein Markt, auf dem die besten Method Actors den höchsten preis erzielen, d,h, wer sein Produkt am besten vermarkten kann, ist der größte Künstler. Er und Andy Warhol begleiten sich in den Tod als Überbringer einer Nachricht, die sich seit der Einführung der Massenmedien wie ein Laufffeuer verbreitet hatte. Warhol wusste, daß seine Persönlichkeit völlig hinter seiner seinem selbst designten Superstar-Image verschwinden würde. Er opferte sein eigenes leben zugunsten einer künstlich geschaffenen Persönlichkeit, eines ewig präsenten Gottes von gutem Geschmack und sicherem Riecher für junge Talente. Verstanden hat man die Kunst schon vorher nicht, aber es ließ sich eine Menge Geld damit machen und mit Unterhaltung ließ sich noch viel mehr verdienen. Andy war der Prototyp dessen, wovon heute die Graphik-Agenturen , Focus und die Telekom wässerige Mäuler bekommen. Andy, der Produzent, der mit der Factory als Open House die tschechischen Traditionen seiner Ma fortführte und aus purer Faszination an der grausamen Realität allem noch einen extra Quietschton verpasste. Die Factory bot denen Schutz, die auch mit den Hippies nicht klarkommen mochten, hier fanden wir die Velvet Underground und hier wurde der Begriff Superstar erfunden weil die Zeit so beschissen war, daß man nicht zynischer werden konnte. Heute ist die Welt so rückverdummt, daß der Film eine fast gothische Ruhe ausstrahlt, die das Publikum zu stummen Voyeuren macht. Die wahren Lüste liegen unter dem akzeptierten Rollenspiel verborgen. Man spielte Großstadt und übernahm eine Rolle bei der Freak-Boheme mit wildem Sex und irren Drogen. Aber das Erwachen im Bett ist doch so durchschnittlich schön, daß man in der Realität sofort auf den Hollywood-Zynismus umschalten müßte weil für Schönheit in einer so kalten Welt kein Platz sein darf. Naive Gefühle. Life?s a bitch, Straßencowboy ohne Ziel,... Nach Warhol?s Tod war die Möglichkeit der Boheme als sicherem Rückzugsort vor der dumpfen Welt endgültig von den Geiern zerfressen. Basqviat wird zu seinem letzten Freund, mit dem es sich rumhängen und über sinnlose Dinge wie Kunst reden läßt. Einer, der den Regeln der Welt genauso unterworfen ist wie derjenige, der sie formuliert hat, aber in erster Linie ein guter Freund, der über den Medienschleim hinwegsehen kann. In einer liebevollen Super 8-Privatvorführung laufen Erinnerungen an den alten Andy mit den wachen Augen, der so eine Art Manie mit seiner Kamera hatte. Ein scheuer Mensch mit schlechter Gesundheit, der im höchsten aller Türme gefangen war als er aufgehört hatte, ein Schuhmaler zu sein.
David Bowie beeindruckt vor allem in den Momenten, in denen die Einsamkeit des großen Propheten der Oberflächlichkeit zum Vorschein kommt. Der diskrete Schritt an die Seite und das halb verkrampfte Lächeln. Die Achtziger waren fast vorbei und man mußte seine Mäuse in Sicherheit bringen. Einer der frühen Protigi Warhol`s, ein Typ namens Malcolm McLaren hatte der Sache den letzten Schliff gegeben. Kunst war nur noch von sogenanten Primitiven zu erwarten weil alle anderen schon lange Zombies und für künstlerischen Ausdruck genauso unbrauchbar waren wie zu zweckorientierter Arbeit. Im Vorprogramm die schöne neue Weltordnung. Bill Gates hat alle wichtigen Pressefotos gekauft und mit etwas Text versehen. Die Geschichte gehört jetzt Microsoft und in jedem Klassenzimmer soll ein Volksempfänger stehen. Sogar Punker sind da archiviert.. Da kann auch die Fleischereifachverkäuferin mal nachclicken, was sie im Ox nicht verstanden hat und sicher wird sie dann ein völlig neues Bewußtsein erlangen. Unter Warhol findet man dann ein Bild der traurigen Monroe, aber vermutlich kein Wort über "Blowjob" oder "Fuck". Das bleiben halt trotz David Bowie die kleinen Krümel der Geschichte wie es der neunmalkluge Greil Marcus in seinem Bestseller herbeiredet. Wenn im Underground alle mal die Kehrwoche machen müßen, dann hat jeder auch hübsch Ruhe in seiner kleinen Krümel-Boheme mit den fünf Freunden, die auch immer die selben Sachen lustig finden. Die Welt bleibt so klein wie sie sein soll. Alle fühlen sich moralisch überlegen, zehn mal schlauer als der Rest von der Schöpfungskrone und es findet sich immer irgendwas im 2nd Hand-Shop, was auch farblich dazu passt. Underground ist eine Frage der Klamotten und über Kunst muß mann grimmig lachen weil er sonst keine Rente kriegt Toller neuer nicht-materieller Tekkno-Marxismus. Niemand hat was, alle arbeiten, aber sie sind irrsinnig glücklich, daß sie für die Freizeit-Industrie arbeiten dürfen.


ID - Stefan Ernsting - I have two books out, I work on cool movies and I've been blogging for 8000 days.

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English Info

Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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