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Sunday, 20. October 2002

FILM:

Star Wars-Episode One - Amerika darf nicht in den Himmel

Am Ende aller Unschuld wird sich eine Generation, die 1999 noch in den Kinderschuhen steckte, nur an zwei Kriege dieses Jahres erinnern : den Krieg im Kosovo und den neuen "Krieg der Sterne". Junge Menschen rotten sich vor kleinen Monitoren zusammen um einen Film zu sehen, der offiziell nur in Kinos mit spezieller Sound-Ausstattung gezeigt werden darf. Was offiziell erst ab August auf die Leinwand kommt, haben die Fans bereits daheim auf Video und in einschlägig bekannten Hochschulen wurde der Film bereits mit Videobeamer in einer halbwegs erträglichen Fassung aufgeführt. Die Rede ist natürlich von "Episode One-The Phantom Menace", dem "Prequel" der "Star Wars"-Trilogie. Kein anderer Film war je an solch strenge Auflagen zur Aufführung gebunden wie "Episode One". Die Kinos dürfen keine Werbung zeigen, es gibt keinen Vorverkauf um den Schwarzmarkt einzudämmen, das Publikum muß vor Beginn die Nationalhymne singen usw. Nun hat ein Hacker, nennen wir ihn ruhig "Z", den Amis in die Suppe gespuckt und alle Welt kann den Film trotzdem schon Monate vor der Premiere sehen.

Eine kurze Geschichte trivialer Mythen für EinsteigerInnen (Absatz bitte multimedial zwischen die Spalten schieben oder so) "Es herrscht Bürgerkrieg. Rebellenraumschiffe von unbekannten Sternen erringen ihren ersten Sieg über das galaktische Imperium." Es ist wieder 1977 und wir hören diese Zeilen zum ersten mal, versinken sofort im Sessel und sind hin und weg. Mit einem vergleichsweise niedrigen Budget von 9 Millionen Dollar brachte George Lucas damals mit "Star Wars-Krieg der Sterne" den, für lange Jahre, größten Kassenschlager aller Zeiten auf die Leinwand. Das Weltraumspektakel führte völlig neue Spezial-Effekte in die Filmgeschichte ein und erhielt neben 9 normalen Oscars einen Spezialpreis für die Kreation einer Armada von Aliens, Robotern und Fabelwesen. Mit "Das Imperium schlägt zurück" und "Die Rückkehr der Jedi Ritter" entstanden noch zwei Fortsetzungen der Abenteuer um Luke Skywalker und seine Rebellen-Crew. Aber der Schöpfer selbst zog sich zurück und gründete mit "Industrial Light and Magic" eine Fabrik für Spezial Effekte, die seit ihren Anfängen den Ton in der Branche angibt. In den 90ern kamen die Filme in neuer Fassung zurück in die Kinos und schlugen erneut diverse Rekorde. Neue "Star Wars"-Videospiele setzten neue Maßstäbe und die Geschichte vom Kampf gegen Darth Vader und sein Imperium wurde in zahllosen Romanen fortgesponnen, die zu den Bestsellern in jeder Bahnhofsbuchhandlung gehören. "Star Wars" ist der große, gemeinsame Mythos der Generation MTV. Drei Filme vernudelten alles, was die Industriekultur seit Beginn des Jahrhunderts ausgebrütet hatte um die Spuren der Vergangenheit zu verwischen. Die triviale Heroisierung vergangener Epochen in Western, Ritterfilmen, Samurai-Streifen, Piraten-Schinken und Hercules-Filmen wurde zusammengestrichen und in den Weltraum geschoßen, wo die besten Elemente aller Genres sich zum Jedi-Mythos vermischte. So weit, so gut. Seit 1980 bleibt für die Fans aber immer noch eine Rechnung offen. "Das Imperium schlägt zurück" begann mit der Unterzeile "Episode 5". Verwirrung ! Folglich müßte es also noch drei Filme vor dem ersten Teil geben.... Gerüchte über einen neuen "Star Wars" hielten sich hartnäckig, spätestens seit das Internet seinen Siegeszug in die Normalität angetreten hatte und eben dort findet sich natürlich auch "The Phantom Menace" in einer kompletten Fassung zum runterladen.

Raubkopierer, Hacker und die "Dunkle Bedrohung" Erst 1998 verkündete die Firma "Lucas Arts", daß "Episode One-The Phantom Menace" tatsächlich gedreht werden würde und seitdem läßt es die Fans nicht mehr los. Und wer ist schon kein Fan von R2D2 und C3 PO, den einzigen Figuren der Original-Filme, die weiter mitspielen dürfen. Am 9.5. hatte der Film in den USA Premiere und rund zwei Wochen später tauchten in Bremen die ersten Raubkopien auf. Eine kurze Umfrage per e-mail ergab, daß in anderen Städten noch nicht ganz so viel Kopien im Umlauf sind wie in Bremen, aber es gilt im Netz als Allgemeinwissen, daß man nicht lange suchen muß um den Film zu finden. "Z" hat den Film mit einer Digital-Kamera im Kino abgefilmt und als riesiges Datenpaket in's Netz gestellt. Wer Raubkopien nur aus der Steinzeit der Video-Technik kennt, wird von der Qualität überrascht sein. Dank MP3 liegt der Film in excellenter Qualität vor, wenn auch vieles arg verpixelt wird und der Sound im ersten Drittel etwas dünn ist. Die Telefonkosten um den Film aus dem Netz runterzuladen sind immens, aber ein einziger Download auf einem unscheinbaren Firmenrechner schien zu genügen und in Bremen war der Rest nur noch eine Frage der Weiterkopierzeit via CD-Brenner.

Ab über'n Brenner Die gängige Kopie von "Episode One" kommt in Form von 2 CDs daher und kann nur auf den schnellsten Maschinen der letzten Generation in voller Qualität ertragen werden. Auch an Videokopien herrscht inzwischen kein Mangel, aber ein Kopieren ohne Qualitätsverlust ist auf dem prä-digitalen Speichermedium nicht möglich. Das Sehvergnügen limitiert ist, aber was derzeit über Monitore, Fernseher oder Videobeamer flackert, läßt erahnen, was im Kino auf uns zukommt.

"Episode One" ist ein Rummelplatz der Effekte, die einer perfekten Ausstattung für Ton und Bild bedarf oder der Film entpuppt sich schnell als eine langweilige Gurke ohne nennenswerte Höhepunkte. Auch die pubertär verblendete Begeisterung von hoffnunsgslosen Fans wie gewissen taz- Fotografen täuscht nicht darüber hinweg, daß der Film als eine der größten Enttäuschungen der Filmgeschichte durchgehen kann.

"Episode One" erzählt vom jungen Anakin Skywalker, der später zu Darth Vader wird und schlängelt sich geschickt durch alle essentiellen Genre-Zitate, die noch nicht verbraten waren, gipfelnd in einer "Hommage" an das Wagenrennen in "Ben Hur". George Lucas wildert nicht mehr nur im Müllhaufen der amerikanischen Kultur, er plündert auch die Mythen anderer Länder und das Ergebnis ist jämmerlicher als erwartet. Lebte die Original-Trilogie vom Charme der 30er Space Operas a la "Flash Gordon" oder "Buck Rogers", so ist "Episode One" eher in der Welt von "1000 und eine Nacht" angesiedelt und macht regen Gebrauch von seinen tunesischen Kulissen. In diesen stolzieren die Stars umher als hätte sie jemand gerade auf's Set geschickt und gesagt: "OK, guck mal genau dahin, wo der Student steht. Der wird später am Computer durch ein Monster ersetzt. Fans und Kritiker in den USA haben dem Film bereits die Absage erteilt und auch die ersten Stimmen aus der international vielgerühmten Cineasten-Metropole Bremen sind vernichtend. Die Dialoge sind grauenhaft und die Helden sind flacher als in einer deutschen "Daily Soap", scheiße, die Chips sind auch noch alle! Geh ma' einer zum Eck! (Positive Stimmen bekommt der Film nur von Menschen, denen "Star Wars" in ihrer Kindheit eben keine Ersatzreligion war und die, wie die geschätzte Kollegin Kern, "mal einen Teil in der Glotze gesehen haben, 'Rache der Jedi Ritter' oder so ähnlich.")

Die Vorläufer des Imperiums, fiese, pfeffersäckige, jüdisch, asisatisch oder irgendwo dazwischen aussehende Handelsaliens paktieren mit Senator Palpatine um das galaktisches MAI-Abkommen durchzudrücken und im Senat sitzen natürlich nur Schnarchnasen, die ganz viele Ausschüße bilden wollen. Da muß erstmal eine Königin von einem schwarzen Butzemann entführt werden und zwei Jedirecken namens Qui-Spongo und Obi-Wan haben die Sache als Botschafter auszubaden. Verschweigen wir die Namen der Schauspieler, die mit dieser Schande leben müßen! Sie verbocken es, aber es ist nicht mal ihre Schuld. Qui-Spongo ist der jämmerlichste Jedi aller Zeiten! Nichts macht er richtig! Er schraubt lieber am Raumschiff statt redlich Sklaven zu befreien, stellt sinnlose Fragen, kann eine verkleidete Königin nicht auf einem Meter Entfernung erkennen und nicht mal der Schrotthändler fällt auf ihn rein. Ach und dann, auch du Obi-Wan! Armer Alec Guiness! Die Jedi Ritter entpuppen sich als Kaffekränzchen über den Dächern von, ganz klar, New York.

Den Jedis zur Seite steht Jar-Jar Binks, eine seelenlose Kreuzung aus Goofy und Dutzenden von "Creature Effects", der man vom ersten Auftauchen an einen qualvollen Tod wünscht. Sowohl diese Figur als auch das Kind in der Hauptrolle lassen vermuten, daß der Film eigentlich für 8jährige gemacht ist, die von ihren Vätern in's Kino geschleppt werden. Aber dafür wird wieder zu viel geredet und paktiert, die Inszenierung ist altbacken, die Schnitte sind schlecht, schlecht, schlecht, die Aliens sind nicht besser als die mordlüsternen Serben oder Iraker auf CNN, der Schrotthändler ist ein fliegender Italiener,... Irgendwann bekommt man auch noch das Gefühl, das von diesem Film etwas ungesundes ausgeht! Verbieten sie ihren Kindern am besten, sich den Film anzusehen. Was verstehen Kinder auch schon von "Star Wars"! "Laaaaangweilig" rief das einzige Kind und die einzige Person, die kein Englisch verstand, in einer WG, wo der Film gestern abend auf der Glotze lief und es machte sich einen Spaß daraus, vor dem Bildschirm rumzutoben. Die Alten sind irgendwann genervt. Der Gesichtsälteste wird auserkoren doch noch Bier zu holen. Man bleibt sitzen. Es ist immerhin der neue Star Wars! Zwar auf einem Monitor, aber alles wäre halb so schlimm, müßte der kleine Anakin nicht auch noch zu einer unbefleckten Empfängnis mit 100% reinem Jediblut werden. "Das gibt's doch nicht" ruft die einzige Mutter in der Runde und will sofort mit irgendwem diskutieren Der ganze Unterbau von "Episode One" ist ein Ärgernis erster Güte, aber Film ist Film und Bier ist Bier. Wenn die Jedis dann mit dem Jesuskind in den Krieg ziehen, braucht man noch mehr Bier und man möchte diesen uralten Männerbund am liebsten von einer Horde kleiner, pelziger Wesen vom Alpha Centauri gefressen wissen. Das Kind guckt wieder zu. Jemand kommt rein und fragt, was denn da gerade abgehen würde. "Das ist der neue Star Wars" sagt jemand. "Und?" "Scheiße!" Der erste geht. Naja, am Ende trifft das Kind den Reaktor, alle Roboter fallen um und das Volk der Goofies marschiert durch eine Mischung aus Triumphbogen und Brandenburger Tor. Ein Aufatmen geht durch das Test-Publikum.

Je länger der Film läuft desto weniger mag man glauben, es tatsächlich mit einem Stück "Star Wars" und nicht einer Folge von "Babylon 5" zu tun zu haben. Wird der Europäer im Internet nur reingelegt und läuft ab August ein anderer Streifen im Kino ? Vieleicht ohne Liam "Schindler" Neeson als Joseph, der Jediritter, Jake Llloyd als das vorlauteste Kind der Welt und ohne all die farblosen Typen, deren Namen man sich nicht merken kann ? Samuel L. Jackson taucht nur auf um in einem späteren Film wieder mitzuspielen. Höchstens Frank Oz' meisterliche Marionette Yoda macht schauspielerisch eine gute Figur als junger Mann mit Schnurrbart und die besten Dialoge hat R2 D2. Best Boy sowieso Gangsterboss Jabba the Hutt! Die endlose Folge von sinnlosen Schwenks und inhaltsleeren Szenen kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das netteste, was man über dieses ultra-reaktionäre Machwerk sagen kann, ist, daß er eben typisch amerikanisch ist und von der ängstlichen Einfallslosigkeit in Hollywood zeugt wie kein anderer Film. Amerika wurde von fanatischen Sektenspinnern gegründet, die überall in Europa rausgeflogen sind. Die schlimmsten von ihnen haben es bis nach Kalifornien geschafft, wo sie seitdem argwöhnisch über die Reinheit ihres Genpools wachen und ihre Exkremente in den Rest der Welt exportieren. "Episode One" ist ihre Rache. (beachten sie zu diesen Ausführungen auch die kleine Rassenlehre des Dr. Tim Leary oder den Expansionswahn der "Grateful Dead")


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Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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