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Sunday, 20. October 2002
PERSONEN:
A.R. Penck - Plastiken und die Plastikgesellschaft "Phänomenologie besteht im Grunde aus dem Einvernehmen einer bestimmten Einstellung den Dingen gegenüber. Man klammert dabei so gut wie möglich alles vorangegangene Wissen über die Dinge aus (vor allem das wissenschaftliche), und versucht, sie so unvoreingenommen wie möglich zu Wort kommen zu lassen. Sollte dies einigermaßen gelingen, sollten die Dinge etwas von ihrem Wesen erblicken lassen, dann kann das ausgeklammerte Wissen wieder ins Spiel gebracht werden." Die Zukunft ist ein unbekanntes Land, meine Damen und Herren. Kunst ist längst verschlissen und wenn jemand Kultur sagt, wird sofort die Brieftasche gezückt. Die sogenannte Post-Moderne hat ausgespielt und ihre Fans sind außer Atem. Was haben sie nicht alles für tot erklärt : Kunst, Geschichte, Vernunft, Rockmusik, den lieben Gott und Humanismus sowieso. "Schmock-Apokalyptiker" hat der große Matt Groening, Vater der "Simpsons", sie getauft. Der simple Strich dieser Cartoon-Serie ist ein universeller Code, der sich als harmlose Zeichentrickserie verkleidet hat und auf den Nasen derer herumtanzen, die sich dem posthumanistischen Nervenkitzel ihrer Endzeit-Visionen verschrieben haben. A.R. Penck, 1939 in Dresden geboren, macht auch humanistische Strichmännchen, allerdings haben seine eher archäologischen Charakter. Penck ist einer der bekanntesten Vertreter der zeitgenössischen Malerei und auch er ist ein Gegner der 5-vor-12-Mentalität (immer wichtig, immer geschäftig und ohne Sinn für das Wesentliche). Seine "Standart"-Bilder, inspiriert von der intensiven Auseinandersetzungen mit künstlicher Intelligenz und Informationstheorien, folgen ihren eigenen Codes. Das krude Vokabular der Bildsprache verbreitet sich wie ein Virus durch das Gesamtwerk des bekennenden Science Fiction-Fans Penck, der nebenbei in einer Punkband die Schlagfelle malträtiert. Das Gerhard -Marcks-Haus zeigt erstmals eine umfassende Retrospektive der Bronzeskulpturen des Künstlers, die weniger bekannt sind als seine Bilder, eine interessante Sammlung geheimnisvoll organischer Figuren, die ihren eigenen Mythos abzustrahlen scheinen . Mitte der Achtziger begann Penck damit, Holzskulpturen in Bronze zu gießen und sich mit kleinen "Bronze-Editionen" ganz bewusst auf den Konsum-Diskurs einzulassen. Irgendwann ging er dazu über, auch Flaschen, Dosen oder was sich sonst gerade anfand mit einzugießen. "Die Zukunft der Soldaten" heißt eine der großen Skulpturen, an deren Fuß zwei mahnende Flaschen eingeflossen sind. Viele der Skulpturen haben direkte Titel. Ein schlichter Phallushaufen heißt einfach "Star Wars" und man möchte schon ein bischen grinsen, aber Herrn Penck ist es ernst mit seinem Werk. "Ironische Plastik gibt es nicht" heißt auch ein Essay von Arie Hartog im begleitenden Katalog, der sich ursprünglich mit den ironischen Aspekten der Skulpturen auseinandersetzen wollte, aber Penck mochte die Ironie nicht erkennen. "Ein Modell sollte vor allem kinderfreundlich sein und so auch einen didaktischen Sinn haben" wird der Künstler an anderer Stelle zitiert. Große Aussagen und simple Formen. Kinderfreundlich ist immer toll, aber den Kids fällt bei Star Wars inzwischen nicht mehr Ronald Reagan sondern "Teil 4, voll das geile Videospiel" ein. Penck möchte provozieren, wo man nur noch missverstanden werden kann. Wenn er für das "Denkmal für Tel Aviv" u.a. einen Videorekorder in Bronze gießt, eine Plastik von 1987 "Antiatomkraft Grün-Grün-Grün" oder eine Statue von 1994 den "Anti-Lenin" nennt, so sind die Titel nicht schwieriger zu verstehen als die Refrains der meisten Deutschpunk-Songs. Aber leider können komplexe Themen nicht einfach auf drei Akkorde oder eine handvoll Bronze reduziert werden. Vermutlich möchte Penck aber den Umgang mit komplexen Themen in der Informationsgesellschaft kommentieren und anprangern. Seine Skulpturen erinnern an die mahnenden Überreste einer ausgelöschten Kultur, verbrannt, halb zerstört. Zeugen aus der Zukunft einer kybernetisch verbesserten Gesellschaft. Es könnte jetzt auch die Rede von Totems und Icons sein, die eine kollektive Erinnerung bewahren, aber viele der aufgestempelten Titel wirken recht naiv, wenn sie nicht ironisch verstanden werden sollen. Penck kommt mit vielen seiner Arbeiten nicht weit über das Bekenntnis zur Gesinnung eines unsichtbaren Widerstandes innerhalb der Avantgarde hinaus. Bronzeplastiken sind halt nicht so richtig massenkompatibel. Kultur wird nur noch simuliert, so lautet eine populäre These. Cyborgs sitzen in den Talkshows und führen Diskussionen, die keine sind. Joschka Fischer führt Krieg, Gorbatschow macht Werbung für Pizza Hut und der Papst läßt seine nächste Tour von einem Auto-Hersteller sponsoren. Umschalten auf "Verona's Weltkrieg" während gespenstische Flüchtlinge in Europa umgehen. Täglich prasseln mehr Realitäten aus den Medien auf uns runter als wir verarbeiten können. Da macht das kybernetische Vokabular schnell schlapp. Penck ist trotzdem ein guter Mann, wenn er auch nicht lustig sein will. Er ist halt selbst längst ein Icon in der Suchmaschine der Unterhaltungsgesellschaft und wäre ein perfekter Gaststar bei den "Simpsons".
by tommyblank, 18:59h
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