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Sunday, 20. October 2002
ORTE:
Warten auf die Zukunft - Vera Kant, Groningen Das Vera Kant in Groningen ist einer jener legendären Orte, deren Ruf daraus besteht, daß die Leute sich erzählen, was für tolle Typen dort schon vor einer handvoll Leute gespielt haben, die später dann so richtig berühmt geworden sind. Auch die Christkinder von U2 haben den Keller. So ca.1980 muß das gewesen sein und Bono hatte furchtbar Zahnschmerzen. Natürlich haben auch "Nirvana" dort gastiert und Tausende von Typen wollen im Nachhinein dort gewesen sein, aber auch an jenem Sonntagabend zu "Bleach"-Zeiten, war das Vera nicht gerade übermäßig voll. Aber "Nirvana" sind das erreichbarste Stück Geschichte und mit Herrn Cobain irgendwann in einem Raum gewesen zu sein, kommt hinterher einer Papstaudienz gleich. Erinnert sich eigentlich noch jemand an diesen Kurt Cobain aus Seattle ? Ein Typ von so vielen, die in einem kleinen Underground-Club in den Niederlanden, über die Bühne geflogen sind, die dort gekackt, gefuttert, geknackt haben. Bis zu "Nirvana" (oder waren es "Green Day", "The Toten Hosen" und "The Sex PIstols"...) war alles eitel Sonnenschein auf der europäischen Tourkarte. Eine rechtschaffene Band konnte sich ein Gefährt mieten und durch die Lande gondeln, wohl wissend, daß man abends von anderen rechtschaffenen Mitgliedern eines ominösen Netzwerkes aufgenommen und bewirtet wurde. Lokale Veranstalter kümmerten sich um die unkommerzielle Form der Organisation und weit in die 90er hinein tourte dann bald alles, was die Märker für einen VW-Bus zusammenbekam. Sowas konnte nicht lange gutgehen. Bald gab es dann Grunge vom Laufsteg und den "Heroin-Look" später selbst bei "Hertie". Jeder verzogene Hosenscheißer ließ sich plötzlich von Mami den Army-Rucksack packen und ging auf die Hardcore-Walz. NOFX wurden eine der meistkopiertesten Band der Dekade, militante Veganermönche machten von sich reden und das goldene Zeitalter einer unabhängigen Gesellschaft mit eigener Moral ward ausgerufen. Man organisierte den eigenen Konsum im politisch privaten Alltag bis "Underground" als Stilrichtung endgültig salonfähig wurde. Die letztmögliche Form einer Boheme verabschiedete sich aus der Geschichte und es bleiben nur die Plakate an den Wänden. (Bei Punkern zur Zeit hoch im Kurs natürlich die Motive der neuen Benetton-Kampagne mit den japanischen Nietenkaisern und ihren mannshohen Irokesen-Schnitten.) Filmposter haben echte Gemälde als beliebtester Wandschmuck ersetzt. Konzertplakate sind etwas anderes, haben mehr was von Fotoalben oder einer Ahnengalerie. Es war und ist eine interessante Zeit und wenn es das "Vera Kant" auch schon einige Tage länger gibt, so waren die letzten 15 Jahre wahrscheinlich die auffälligsten und musikhistorisch die wichtigsten sowieso. Für alle mit dem Autokennzeichen "HB" schon allein weil jede halbwegs gute Band an Bremen, Hauptstadt von Schunkel-Pogo, vorbeisegelt und der Trip über die Grenze für den ernsthaft interessierten Musikfreund éin zwingendes Muß ist. Das Programmheft, siebdrucktechnisch ebenso schön gestaltet wie die Plakate, liegt im ganzen Norden aus. Wir sind ja jetzt auch ein Europa sowieso. Schnell ist man mal wieder in Groningen, schiebt sich die traditionellen Pommes am Marktplatz rein und trifft Leute, die vom Ruhrgebiet hochgefahren sind, um "Melt Banana", "U.S.Maple", Ken Ishii oder sonstwas zu sehen, wovon der Bürger keine Ahnung hat. Die Siebdruck-Plakate zu den Konzerten im "Vera Kant" sind Relikte einer guten Zeit, den mobilen 90ern und längst für sich Legende. Keine Band, die im Vera gastiert hat, die nicht morgens versucht die Poster vom Vorabend von den Wänden zu knibbeln. Ein Vera-Plakat von der eigenen Band ist die ultimative Trophäe für alle, die ihr Herz den rauchenden Verstärkern verschrieben haben. Hergestellt in der hauseigenen Siebdruckwerkstatt, fassen die Poster den Geist einer verqueren Zeit, die sich bei allem bedient und nur wenig eigenständiges produziert hat. Die Tiefe liegt in der Ironie der vewendeten Symbole, die ohne Grundkenntnisse der allgemeinen Popkultur nur schwer zu deuten sind, ein komplizerter Drahtseilakt zwischen Kunst und Werbung. Die Poster des holländischen Kunst-Kombinats erinnern dabei natürlich an Frank Kozik, den König der Diebe, wenn sie auch nicht ganz so zuckerbunt sind. Aber von Kozik zu klauen ist eh bedeutungslos und die Holländer sind an vielen Stellen besser, vielfältiger und origineller. Wo Kozik niemals einen Hehl daraus macht, daß man bei ihm nichts anderes betrachtet als ein wertloses Stück Reklame, stehen die Vera-Poster für ein Stück authentische Geschichte, für die Mühe und die Sorgfalt, die man der eigenen Kultur mal entgegengebracht hat.
by tommyblank, 18:56h
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Übersetzung:
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