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Monday, 28. March 2005

ORTE:

Cafe Hawelka, Wien, spätes 20. Jahrhundert

Kein Künstler oder Autor, der sich eine Weile in Wien aufhielt, kam am Cafe Hawelka vorbei. Von Hundertwasser bis zu Robert Musil und Blixa Bargeld rieben sie sich die Ärsche auf den abgewetzten Stühlen des düsteren Kaffeehauses mit der verqualmten Atmosphäre einer versunkenen Zeit. Zwischen den engen Tischreihen regierten seit 1939 Josefine und Leopold Hawelka, die sich einen Dreck um jeden Zeitgeist scherten. Das Hawelka in der Dorotheergasse blieb lange unbemerkt, aber je mehr alte Kaffeehäuser den Fast Food-Ketten Platz machten, desto legendärer wurde sein Ruf. Wo auch immer Starbucks regierte und blitzsaubere Studentinnen mit Kontaktgrinsen überteuerte Zuckershakes (inklusive einer winzigen Kaffeebeimischung ohne Koffein!) kredenzten, sehnte man sich nach dem greisen Lepold Hawelka mit seiner verschlissenen Fliege, der jeden Gast persönlich begrüßte. Mit gebücktem Gang wedelte er mit dem Handtuch und deutete auf irgendeinen Tisch, den er für angemessen hielt. Wer sich gegen die Platzierung wehrte und eigenmächtig den Tisch wechselte, durfte im Zweifelsfalle damit rechnen, nicht bedient zu werden. Später hockte der altersschwache Mann nur noch an einem Tischchen in der Ecke und nickte den Gästen zu während seine Frau Josefine das Kommando führte. Wer lange genug sitzen blieb, kam am späten Abend sogar noch in den Genuß ihrer berühmten Buchteln. Bis tief in die Nacht konnte man im Hawelka einkehren, die Zeitung lesen und vor sich hin sinnieren. Ohne das muffige Kaffehaus in der Innenstadt wäre das Wiener Kulturleben in den letzten fünfzig Jahren anders verlaufen. Hier wurde man in Ruhe gelassen und kam trotzdem ins Gespräch, wenn irgendwann auch die Touristen kamen und nach zuckerhaltigem Capuchella-Tutti Frutti mit Haselnuss-Vanille-Splittern "to go" verlangten. Solche Menschen waren im Hawelka schlichtweg falsch und verstanden nicht, warum das Hawelka eben etwas ganz besonderes war. Aber damit scheint es nun vorbei. Josefine Hawelka ist vergangene Woche im Alter von 92 Jahren an Herzversagen gestorben und Wien trauert um eine Frau von legendärem Ruf, die nicht zu ersetzen sein wird. Auch Stammgäste, die sich nur alle Jubeljahre sehen ließen, verspürten einen Stich im Herzen. Das Cafe wird von einem Enkel der Hawelkas übernommen, der daraus hoffentlich keine Amüsierbude (inklusive Merchandising und Cappuchella mit Schirmchen) macht.


ID - Stefan Ernsting - I have two books out, I work on cool movies and I've been blogging for 8186 days.

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English Info

Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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