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Wednesday, 20. November 2002

Medien:

Wer das Geld hat, hat die Macht! - Industrie droht dem Intro mit Anzeigenentzug

Ein unschuldig naiver Rezensent der Musikzeitschrift Intro schrieb vor kurzem in der Besprechung einer Audio-CD so etwas wie "brenn sie dir doch einfach bei einem Freund." Ein folgenschwerer Halbsatz! Wer sich gewundert hat, daß die darauf folgende Ausgabe von Intro mit aller Gewalt um eine Positionsbestimmung zum Reizthema "home-fucking kills prostitution" bemüht war, lasse sich sagen, daß die Redaktion dabei nicht ganz ohne Anlass ihr Round Table-Gespräch in Szene setzte. Besagte Rezension hatte eine Reihe von Anrufen am selben Tag zufolge, in denen sämtliche Mayor-Labels ankündigten, ihre Anzeigen in Zukunft aus dem Heft zu nehmen. Als seriöser Medienpartner der Industrie darf man sich eben nicht zu solchen Aussagen hinreißen lassen. Zu sagen, daß man die Brennerei womöglich okay findet, ist Hochverrat. Seltsam, daß sämtliche Anrufe innerhalb kürzester Zeit erfolgten. Da ist wohl einer über diese Rezension gestolpert und hat sogleich seine Kumpels in den anderen Chefetagen angefunkt. Die reinste Verschwörung! Das Intro stand somit vor dem Ende und konnte die Sache nur mit diplomatischem Feingefühl und nervigen Gesprächen bereinigen. Irgendwie wurden die Anzeigen dann doch wieder frei gegeben.

Die Musik-Industrie hat dabei demonstriert, daß sie gewillt ist, ihre geballte Macht über die Medien im Zweifelsfall auch zu benutzen und eine Zeitschrift wie Intro zu ruinieren weil sie nicht dem vorgezeichneten Wege folgt. Eigentlich recht naiv weil das Gefüge der Pop-Industrie eben ein Heft wie das Intro mit seinen Meinungsmachern und sich Props gebenden Credibility-Hanseln notwendig brauchen müßte. Oder auch nicht!
Vieleicht wird der Junior-Partner doch nur als dick und fett gewordenes Fanzine mit zu jeder Selbstausbeutung bereiten Ego-Darstellern angesehen. Die ganze Affäre hat für reichlich Diskussion gesorgt und das bockbeinige Konsumentenvolk derer, die das kaufen, was im Intro angepriesen wird, dürften den Mayor-Apparaten noch kritischer gegenüber stehen als vorher.

Letztendlich leben die "Independent-Faschisten", wie Industrie-Speichellecker Kurt Cobain seine harten Fans in seinen Memoiren bezeichnete, aber weiter in der Illusion, daß man etwas auf ihre Meinung geben würde und all die unterbezahlte Schreiberei zu etwas anderem führt als Produktwerbung zu betreiben. Vor allem die egopathischen Nabelbetrachter von Intro, Jetzt und Co helfen sich mit hedonistischem Popkultur-Gequatsche und Referenzen an die eigene Nase darüber hinweg, daß man von den Pop-Abteilungen der Buchverlage nicht gewollt wurde. Diese Menschen haben ihren Warhol einfach nicht verstanden. Sie halten sich tatsächlich für Superstars in der selbst abgesteckten Realität. So mischt man Journalismus mit "mir ist da was passiert"-Anekdoten und wirft die akademische Nebelmaschine an, wen am Ende doch nur Produktwerbung betrieben wird.
C'est la popmoderne!

Joachim Witt, der nach Aussage seiner Bremer Begleitband "privat ganz okay" ist, hält das Brenen von CDs übrigens für so eine Art Terrorismus im Anfangsstadium.
Wirre Witt-Statements und Diskussion im Hause Tonspion.


ID - Stefan Ernsting - I have two books out, I work on cool movies and I've been blogging for 8172 days.

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English Info

Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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