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Sunday, 20. October 2002

POLITIK:

Propagandhi in Leipzig,2001 - Die guten Deutschen

Who is left? Who is right?

Inzwischen sind einige Tage in' s Land gegangen seit die ruhmreiche "Keep The Devil In Punk"-Tour von Propagandhi ihr verdientes Ende gefunden hat. Im Laufe der zerfließenden Zeit betrachtet man die Dinge, die passiert sind wieder anders als in dem Moment als sie tatsächlich passiert sind. Im Prinzip wollte ich auch meine Fresse halten, aber warum sollte man der anderen Seite ein Meinungsmonopol überlassen.

Die andere Seite, das sind in diesem Falle die Leute vom Conne Island-Plenum aus Leipzig, die in ihrem Dorf aus unerfindlichen Gründen eine Art Privatfehde mit den sympathischen Boys von Propagandhi anzetteln möchten. Nun ist es weder meine Art, mich in die Leipziger Lokal-Politik einzumischen noch habe ich ein Problem damit, wenn sich Leute kritisch mit den Bands auseinander setzen, die sie zu veranstalten gedenken. Ich erwarte das sogar oder ich wäre nicht seit gut zehn Jahren in dieser merkwürdigen Subszene namens "Polit-Punk" unterwegs. Man sollte sich mit den Dingen beschäftigen und zu seinem eigenen Schluß kommen.

Problematisch wird es, wenn man sich in diesem Falle ausschließlich mit diffarmierenden Lügen konfrontiert sieht, die nichts mit "etwas nicht verstanden", "etwas falsch verstanden haben" oder "einfach nur nachplappern" zu tun haben. Hier geht es um mehr, hier geht es um den blinden Glauben an die Wahrhaftigkeit der eigenen Motive und Aktionen, präzise gesagt um die Vorstellungswelt der Antinationalen Gruppen bzw. des Umfeldes der "Bahamas". Die Antinationale Linie beinhaltet eine metaphysische Überhöhung derjenigen Menschen mit deutscher Einwohner-Meldebestätigung als von Grund auf anti-semitisch sowie eine bedingunglose Solidarität mit Israel. Eine Mischung aus Glaubensrichtung, Verschwörungstheorie und keinen Sex haben, die innerhalb der Linken nicht so richtig neu ist, wenn sie auch noch nie in dieser Art von hysterischer Rechthaberei an' s Licht getreten ist. Eine Stellungnahme zur Situation der Palästinenser scheint sich zu verbieten, wenn diese nicht eindeutig für Israel Position bezieht und die Grundargumentation lautet dabei "darum" bzw. "weil ich es gesagt habe". Darüber hinaus wird jede Äußerung in Form von Anti-Amerikanismus als eine Art indirekter Angriff auf Israel gesehen. Das Plenum des Conne Island soll nicht mit der ANG Leipzig gleichgesetzt werden, die Einflüsse sind aber trotzdem nicht zu übersehen und man kann vor allem froh sein, daß solche Menschen nicht auch noch Lehrer geworden sind.

Ja, aber was ist denn überhaupt passiert? Propagandhi aus Kanada und die Kafkas von hierzulande verließen am 7.11. 2001 Berlin um im Conne Island, Leipzig ein Konzert zu spielen. Das Conne ist seit zehn Jahren eine feste Adresse als politisch geprägter Konzertort und hat in dieser Zeit immer nur den allerbesten Eindruck hinterlassen. Ich bin mehrfach mit Bands wie z.B. Miozän dort gewesen und an keinem anderen Ort ist die örtliche Polit-Szene so eng verzahnt mit dem Publikum und dem Kurs der Veranstaltungen. Vom Eintritt gehen jeweils eine Mark an die Antifa und monatlich erscheint ein fettes Gratis-Heft namens "CEE IEH" mit Updates zur politischen Situation und auch ein paar Seiten Konzertvorschau. Wo sonst scheint die Politik soviel wichtiger als die T-Shirt-Kultur aus Amerika, wenn wir mal die besetzten Häuser ausklammern und nur die "Rockläden" betrachten.

Und das Conne-Programm ist 2001 ziemlich Rockladen. Im November gastierten u.a. Integrity, Blade, Eins Zwo, Stereo Total, Backyard Babies, DJ Storm, Springtoifel, The Broilers: Macho Metal, Hip Hop-Standards, Schweinerock, Drum & Bass-Classics und ranziger Oi. Springtoifel sind dabei seit vielen Jahren umstritten weil sich doch immer wieder rechte Kameraden verkleiden und bei deren Konzerten auftauchen. Über The Broilers sagen selbst Uralt-Oi-Fossilien, die es sonst vielleicht auch nicht immer so genau sehen, diese würden "schon ein ziemlich stramm rechtes Publikum" anziehen. Das "CEE IEH" erwähnt die Broilers mit keinem weiteren Ort, lässt sich aber eine Seite lang begeistert über Springtoifel aus, wie auf nadir.org dokumentiert.

("KÜNSTLER, DEREN TEXTE GARANTIERT NICHT AUF DIE GOLDWAAGE GELEGT UND BEIM ROTWEIN DISKUTIERT GEHÖREN." (Zitat) WARUM EIGENTLICH NICHT, LIEBER UNTERZEICHNENDER KAY?

Nun ja, Als unsere kleine Reisegruppe mit dem schnellen Highway Tiger im dunklen Novemberregen vor dem Conne vorfuhr, ahnten wir nichts böses. Irgendwann wurde Chris aber von einem der Veranstalter zur Seite genommen und in ein Gespräch über das Poster zur Tour verwickelt, welches eine Ami-Flagge zeigt,die über die ganze Welt gespannt ist. So was könne man als plumpen Anti-Amerikanismus verstehen und dieser sei für die Revolution nicht förderlich weil ein Schwarz-Weiß-Denken unterstützt wird. Nicht ganz falsch und als Kritik akzeptiert.

Nun zog der gute Mann ein Flugblatt hervor. Darin stände sinngemäß dasselbe, meinte der Typ, die Sache mit dem Poster und so, man hätte ja darüber geredet. Freche Lüge Nr.1! In dem Flyer steht keine Silbe von dem Poster und von den enthaltenen Vorwürfen war in diem Gespräch überhaupt nicht die Rede.

Flugblatt und Stellungnahme des Conne Island-Plenums zu Propagandhi, in der Online-Version mit weiteren Lügen garniert

Dieses Flugblatt sollte am Eingang des Konzertes verteilt werden und strotzt offensichtlich von haltlosen Zusammenhängen und unverschämten Lügen.. Eine Stellungnahme der Band schien man genauso wenig für nötig zu halten wie uns im Vorfeld über derartig harte Anschuldigungen zu informieren. Es dauerte eine Weile bis ich der Band den ganzen Verschwörungssumpf übersetzt hatte (und es handelt sich dabei um nichts anderes als eine Verschwörungstheorie.)

Weiter zeigten sich nur zwei Leute vom Conne, die beide nur relativ schlecht Englisch sprachen und sich weder mit den Beschuldigten vernünftig unterhalten konnten noch großes Interesse zeigten, die Sache per Übersetzung zu diskutieren. Die Vorwürfe waren unverrückbar und man mochte keinen Millimeter davon abrücken. Drei Tage habe man darüber diskutiert. (Und das in einer Woche, in der Deutschland erneut einen Kriegseinsatz beschlossen hat!) Es gab jedenfalls nichts wichtigeres für die Herrschaften und so konnte man sich schön auf den Erziehungsauftrag konzentrieren. "Die Band distanzierte sich von ihre Aussagen" heißt es in diesem Flyer und davon stimmt natürlich überhaupt nichts. Propagandhi haben es nicht nötig, sich von ihren Texten zu distanzieren und schön mal gar nicht weil sich irgendwelche Leute weil irgendwelche Leute nicht genug Aufmerksamkeit im Leben kriegen. Hier wurde ein Gespräch vorweggenommen, was anders ausging als vom Conne-Plenum mühsam (drei Tage!) ausgerechnet. Man hatte erwartet, daß die Band sich dem Druck schon irgendwie beugen würde, aber auf derartig kranke Machtspiele mochte sich natürlich niemand einlassen.

Propagandhi beschlossen, es wäre jetzt, in Anbetracht der Anhäufung von infamen Lügen und kranken Hirngespinsten letztendlich die Frage, ob sie überhaupt im Conne auftreten wollten. Daraufhin wurden die beiden Abgesandten unfassbar handzahm und wanden sich mit Sprüchen wie, "nein, nein, versteht das nicht falsch, ihr sollt hier spielen, hier seid ihr richtig." Plötzlich wurde auch das Flugblatt sang- und klanglos vom Tisch genommen und sollte nicht mehr verteilt werden. Man werde mit der Band per E-Mail diskutieren, wurde entschieden, einmal mehr ohne die Band zu fragen und schon war die Delegation verschwunden.

Aha, erst mit Dreck beschmeissen und dann um Gnade winseln, wenn man sachte kontert. Das war uns genauso wenig neu wie alte K-Gruppen-Käppchenträger und neue Schmock-Apokalyptiker, die eine Band für alles Übel der Welt verantwortlich machen wollen.

Im Anschluß an das Konzert verzogen wir uns in die örtliche Gastronomie, wo wir erfahren mußten, daß das Flugblatt schon seit Tagen im Umlauf war und gleich drei Leute an einer x-beliebigen Theke in Leipzig davon wußten. (Hätten wir das vorher gewusst, hätten wir anders reagiert, Leute!) Die Ortskundigen winkten aber ab und man im Laufe der Nacht stellte man fest, wie viele Punkte das C.I. lokal schon verspielt hat. Vor Ort gilt der Laden inzwischen als Aufbewahrungsanstalt für verbitterte, alte Männer, die den Absprung beim letzten Generationswechsel nicht ganz hingekriegt haben und "die Kids" nicht mitspielen lassen wollen. Von üblen Geschichten war die Rede, meine Lieben, aber das kriegt man in Leipzig auch irgendwann selbst mal klar. Wir wollten die Sache auf sich beruhen lassen und ließen Leipzig am nächsten Tag links liegen. Warum sollte man dem ganzen Ding noch ein Forum geben.

Wieder daheim wußte man warum. Nun steht das Flugblatt in neuer Version auf nadir.org und verbreitet neue Lügen, wie z.B. daß Propagandhi auf der Bühne angesagt hätten "daß sie von Leuten, von denen sie dachten, sie wären links - besonders auch hier (also C.I.) - schlimmer behandelt werden als von der Polizei". Davon stimmt gar nichts und es gab so einige Zeugen auf diesem Konzert, die das bestätigen können. Hierbei handelt es sich um eine taktische Lüge um selbst als Opfer da zu stehen. Die Band wird so hingestellt wird als hätte sie sich gegen das heilige, heilige, heilige Conne Island (das mit der laaaaaaaangen Traaadition) gestellt. Damit ist das Plenum als tapfere Aufdecker-Truppe moralisch scheinbar aus dem Schneider. Ha, ha, wir haben sie entlarvt, die bösen Anti-Semiten.

Propagandhi haben die Scheiße nicht auf sich sitzen lassen und das wollen euch die Veranstalter nicht wissen lassen, die ihre Flugblätter scheinbar lieber heimlich hinter dem Rücken der Betroffenen verteilen und hinterher behaupten, man hätte so toll geredet und die Band hätte alles eingesehen. Der Öffentlichkeit in Leipzig wird aber suggeriert, es hätte, Wunder was für eine Auseinandersetzung gegeben und das ist einfach falsch. Wie kann man mutwillig solche Scheiße verbreiten? Wir haben die Auseinandersetzung gesucht, aber das Plenum ist jeder Kommunikation aus dem Weg gegangen und hat sich mit "my English not very good " aus der Affäre gezogen. Ihr wolltet überhaupt nicht diskutieren, wenn ihr schon im Vorfeld bekannt gebt, die Band wäre ja ganz kleinlaut gewesen und hätte alles gestanden als ihr geschimpft habt. Was für eine kaputte Form von sozialer Kälte!

In der Online-Version heißt es, das Flugblatt sei beim Konzert verteilt worden. Damit würde es nur dokumentiert werden, die Band hätte offensichtlich am Abend schon reagieren müssen. Scheinbar hatte die Band den Vorwürfen nicht hinzu zu fügen. Welchen Grund gibt es, den Leuten vom Conne Island-Plenum nicht zu glauben? Gezielte Desinformation also.

Und ausgerechnet Propagandhi als böse Jungs, har-har. Und dabei spielen wie gesagt noch ganz andere Leute im C.I., die sich nicht unbedingt in erster Linie als politische Unternehmung verstehen und ein Professor Michael Wolfssohn, Dozent an der Bundeswehrakademie zu München, darf im CEE iEH schreiben.

Und wo man ranzige Oi-Bands und New Yorker Macho-Metal von anno dunnemal unserer Darbietung vorzieht, da werden wir zumindest nicht wieder gastieren bis dieses Regime von den revolutionären Massen aus dem Sattel gehoben worden ist. Hugh! StErn & FRIENDS OF PROPAGANDHI


ID - Stefan Ernsting - I have two books out, I work on cool movies and I've been blogging for 8185 days.

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Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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