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Tuesday, 1. March 2005

FILM:

Edelweißpiraten - Punk 1944

Edelweißpiraten

Peter (Simon Taal) und Bombenhans (Bela B. Felsenheimer)

  English version

Köln-Ehrenfeld, 10. November 1944. Ohne Urteil werden sechs Jugendliche und sieben mit ihnen befreundete Erwachsene von der Gestapo öffentlich erhängt. Die Amerikaner stehen 70 Kilometer vor der Stadt, aber der Nazistaat verfolgt weiterhin gnadenlos jeden Widerstand. Die »besten Leute« der Gestapo sind auf eine Gruppe von unorganisierten Jugendlichen angesetzt, die sich Edelweißpiraten nennen. Sie tragen Alpenpflanzen an den Revers ihrer Jacken und bilden eine eigene Subkultur, die auch in anderen Städten blüht; prügeln sich zwischen ausgebombten Häusern mit der Hitlerjugend; verstecken Juden, Zwangsarbeiter und Deserteure. Eine kleine Gruppe der Kölner Edelweißpiraten war in den Untergrund gegangen. Mit Hilfe des KZ-Flüchtlings Hans Steinbrück, genannt »Bombenhans«, hatten sie sich bewaffnet und planten die Sprengung der Kölner Gestapo-Zentrale. Die Jugendlichen flogen auf, wurden verhaftet, gefoltert und zur Abschreckung öffentlich ermordet. Noch lange galten sie als Kriminelle. Mehr als 30 Jahre, nachdem der Staat Israel die Edelweißpiraten in der Gedenkstätte Yad Vaschem als »Gerechte unter den Völkern« geehrt hatte, wurden sie 2003 endlich auch in Deutschland als Widerstandskämpfer anerkannt.

Schonungslos

Regisseur Niko von Glasow und seine Frau Kiki haben über sieben Jahre an ihrem Drehbuch für den Spielfilm »Edelweißpiraten« gearbeitet, einer Geschichte der jungen Widerstandskämpfer aus Köln. Am Abreisetag der Berlinale, dem denkbar ungünstigsten Termin des Festivals, feierte er nun endlich auch seine Europa-Premiere. Trotz Stars wie Anna Thalbach, Bela B. Felsenheimer, Rußlands Mädchenschwarm Iwan Stebunow oder Jan Decleir fand sich im offiziellen Programmheft der Berlinale nur ein verschämter Hinweis auf den Film, aber die Premiere war ein voller Erfolg. »Ich hätte nicht gedacht, daß ich mich mal freuen würde, so viele Menschen weinen zu sehen«, kommentierte der Regisseur die Reaktionen des Publikums. Der Film hat ungeheure Wucht. Nichts wird ausgeblendet. Schonungslos, ohne technische Mätzchen oder romantisierende Elemente, erzählt von Glasow die Geschichte und vermittelt einen verstörenden Einblick in den Alltag der Nazidiktatur. Unruhige DV-Kamerabilder packen den Zuschauer am Kragen und lassen ihn nicht so schnell wieder los. Überlebende Edelweißpiraten betonen den Realismus des Films, der auf Erinnerungen des 75jährigen Jean Jülich basiert, der auch als Erzähler fungiert.

Vermittelt werden die Ereignisse aus der Sicht des 17jährigen Edelweißpiraten Karl (Ivwan Stebunow), dessen kleiner Bruder Peter (Simon Taal) in der HJ organisiert ist. Karl liebt Cilly (Anna Thalbach), die zwei Kinder von seinem im Krieg gefallenen Bruder Otto hat und sich mit dem entflohenen KZ-Häftling Hans einläßt, »Bombenhans«, der zum Rädelsführer wird. Die Edelweißpiraten räumen ein Butterlager leer; organisieren Sprengstoff, Waffen und Munition; verstecken alles in Cillys Keller und machen dort Schießübungen. Der NSDAP-Ortsgruppenleiter Heinrich Soentgen wird erschossen, Cilly verhaftet. Ein Befreiungsversuch der rivalisierenden Liebhaber Karl und Hans scheitert. Binnen weniger Stunden werden die Edelweißpiraten verhaftet. Nur Karl überlebt. Hilflos muß er zusehen, wie seine Freunde hingerichtet werden.

Ignoriert

Mit den Worten »Edelweißpiraten waren die Punks der Nazizeit« hatte von Glasow für seinen Film um Schauspieler geworben und bei klimatisch schwierigen Dreharbeiten in Rußland aus seinem hervorragenden Ensemble wirklich alles rausgeholt. Junge Laien brillieren neben alten Hasen, Bela B. gelingt eine überzeugende Darstellung des schwer verletzten Bombenentschärfers, der dem Widerstand der Jugendlichen zu ein wenig mehr Organisation verhilft. Als Schauspieler sollte man den Kalauerkönig der Ärzte in Zukunft verdammt ernst nehmen.

Tausende von Teenagern und jungen Erwachsenen in ganz Deutschland gehörten zu den Edelweißpiraten. Allein in Köln führte die Gestapo 3 000 in den Akten. Jülich, der 2003 als einer von ihnen die Autobiografie »Kohldampf, Knast un Kamelle« veröffentlichte, hat in von Glasow jemanden gefunden, der mit den richtigen Mitteln daran erinnert. Mit ruhiger Stimme berichtete Jülich dem Premierenpublikum vom Umgang mit den Edelweißpiraten in der Nachkriegszeit. Er scheint am wenigsten verwundert, daß man hierzulande von Anfang an Probleme mit Film und Thema hatte.

Die Weltpremiere fand im September 2004 auf dem »Festival des Films du Monde de Montreal« statt, wo wenig andere Filme so heiß diskutiert wurden. Um die Vermarktung kümmert sich Cinemavault aus Kanada. »Edelweißpiraten« wurde bereits nach Belgien, Spanien, Thailand in die Niederlande und einige andere Staaten verkauft. In Deutschland hat sich kein Verleih gefunden. »Der Untergang« wird mit Preisen hofiert, »Edelweißpiraten« ignoriert. Ausländische Premierengäste dachten sich ihren Teil.

Erschienen in der Jungen Welt

Doku zu den Kölner Edelweisspiraten von G.Ott und Co: "Es war in Schanghai"(CD, DVD und Buch für 15 Euro bei nsdok.de)

Edelweisspiratenfestival


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English Info

Übersetzung:
David Wojnarowicz
Closes to the Knives

(Mox und Maritz Verlag)

"Von Stefan Ernsting hervorragend übersetzt." (Bayrischer Rundfunk))

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